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Gastbeitrag: Wie das Corona-Virus die Kirche an ihren Auftrag erinnert von Paolo Ricca

Thu, 29 Apr 2021 15:02:55 +0000 von Florian Herterich

Wie das Coronavirus die Kirche an ihren Auftrag erinnert
Glauben verkündigen und den Dienst am Nächsten leben

von Paolo Ricca (Professor im Ruhestand für Kirchengeschichte und praktische Theologie an der ev-theol Fakultät der Waldenserkirche in Rom)

Gottesdienstliche Versammlungen werden verboten, der pastorale Dienst wird stark eingeschränkt. Die staatlichen Schutzmaßnahmen in Zeiten der Pandemie greifen massiv in das Leben der Kirche ein. Doch das kann auch als Chance wahrgenommen werden, sich neu auf das wesentlich Christliche zu besinnen. Paolo Ricca sieht Verbindungen der gegenwärtigen Situation mit den Erfahrungen einer Minderheitenkirche, sei es im Urchristentum, sei es in der Ketzergeschichte der Waldenserbewegung.*
   Es ist logisch zu vermuten, dass man sich in naher und vielleicht auch in ferner Zukunft das Jahr 2020 erinnern wird als das Jahr des Coronavirus und der Pandemie, als dieses Virus (von dessen Existenz wir quasi alle nichts wussten) in unterschiedlichem Maße auf allen Kontinenten unseres Planeten diese Pandemie erzeugt hat. Uns wurde vielleicht zum ersten Mal klar bewusst, dass die Welt, die wir heute bewohnen tatsächlich ein „globales Dorf“ ist, dessen Bewohner - bei allen so enormen Unterschieden und vor allem aller Ungleichheit, die unter ihnen bestehen - das gleiche Schicksal teilen - im Guten wie im Schlechten. Ob es uns gefällt oder nicht, wir sitzen wirklich alle im selben Boot…

Zwischenmenschliches Klima der Distanz
Wie wir alle wissen, hat das Coronavirus unser tägliches Leben in höchstem Maße bestimmt, indem es uns unter anderem eine noch nie erlebte, immer wieder verlängerte generelle Klausur auferlegte. Als wir wieder frei waren, an die frische Luft zu gehen, zwang es uns den famosen Sicherheitsabstand zu halten, der plötzlich zu einer Art persönlicher und sozialer Sicherheitsweste geworden war, um die eigene Gesundheit und die der anderen zu schützen.
Doch die Distanz ist auch fatalerweise die Feindin (wenn auch ungewollt) jeder echten Beziehung, die aus Nähe entsteht und sich aus dieser nährt, umso mehr als wir disziplinierterweise maskiert herumlaufen. Diese Art Niqab ist lebensrettend und moralisch verpflichtend, sie verhüllt das Gesicht des Nächsten (der tatsächlich nicht mehr dein Nächster ist, auch mit einem oder zwei Meter Distanz), lässt es unkenntlich und dadurch unendlich weit entfernt werden.
In diesem Sinne machen die Distanzierung und die „Mascherina“ („kleine Maske“, Anm. d. Übers.) - das Diminutiv macht das Objekt freundlicher, aber ändert nichts an der Sache - jedwelchen Mitmenschen, den du auf der Straße triffst (oder besser nicht triffst) zu einer möglichen Gefahr für dich und dich zu einer möglichen Gefahr für ihn. Er ist also ein möglichst „zu Meidender“, genau so wie in zum Glück längst untergegangenen Zeiten der „Häretiker“. Der schlimmste von allen in Italien war der Waldenser, im Latein des (Heiligen) Römischen Stuhls „vitandus“, „zu Meidender“ genannt, dem man sich nicht nähern durfte, weil er eine Todesgefahr für deine Seele darstellt. Wer auch immer heute mit dir auf der Straße geht und dir begegnet, ist der „Häretiker“, der zu Meidende, die potenziell tödliche Gefahr für deine Gesundheit darstellt - so wie du für ihn.
Freilich, wir wissen es und wir wiederholen es täglich um es ja nicht zu vergessen: All dies ist notwendig, um die Verbreitung des Virus zu verhindern oder wenigstens zu beschränken. So sei es, weil es so zu sein hat. Doch wir müssen uns darüber im Klaren sein: Der Preis, den wir dafür bezahlen, vielleicht ohne uns dessen bewusst zu sein, in Sachen Qualität der für das Humanum fundamentalen Ich-Du-Beziehung ist sehr hoch.

Gottesdienst im stillen Kämmerlein
Doch das Coronavirus hat auch unsere Existenz als Kirche verändert. Theologische Kategorien und - noch vorher - geistliche Dimensionen, die vergessen waren oder die nie wirklich gelebt wurden (wenn sie auch theoretisch benannt waren), haben sich unseren Gemütern neu präsentiert und wir wurden - wohl zum ersten Mal - dazu gebracht, sie ernst zu nehmen, sie womöglich zu verstehen und wertzuschätzen.
Jetzt wo alle „Versammlungen“ und folglich auch die Gottesdienste aller Religionen verboten sind, könnte es z.B. sein, dass so mancher Christ sich gefragt hat, ob die „Anbetung im Geist und in der Wahrheit“, die Jesus im Gespräch mit der Samaritanerin denen zugesteht, die Gott „in Wahrheit anbeten“ (Joh. 4,23-24), notwendigerweise ein öffentlicher Gottesdienst zu sein hat, mit einer Gemeinde, die sich eine Stunde lang an ein und demselben Ort versammelt, oder ob es nicht auch authentisch sein kann, wenn sie sich - wie Jesus in einem anderen Zusammenhang sagt - „in deinem Kämmerlein“ vollzieht, ohne Altar und Lesepult, ohne Priester oder Pfarrer - allein, aber nicht einsam, im Gegenteil: in Gemeinschaft mit dem Vater aller, der über allem, mit allen und in allen ist und der im Verborgenen ist und das Verborgene sieht (Mt. 6,6).
Doch es sind vor allem drei Bereiche, in denen das „Zusammenleben mit dem Virus“, wie es auch genannt wurde und dessen Folgen in uns eine neue Sensibilität, wenn nicht größere Aufmerksamkeit zu erzeugen vermocht haben: die Erfahrung der „unsichtbaren Kirche“, die der „Hauskirche“ und die Frage des „wesentlich Christlichen“. Betrachten wir sie kurz der Reihe nach.

Die unsichtbare Kirche
Wir wissen es: die Kirche ist sichtbar, äußerst sichtbar. Früher mehr als heute. Im Mittelalter war der Kirchturm das höchste Gebäude von allen und überragte das Weichbild einer Stadt oder eines Dorfes - als damaliger Wolkenkratzer unmöglich zu übersehen. Heute ist alles anders: viele Kirchen haben weder Kirchturm noch Glocken, sie sind immer weniger sichtbar und hörbar.
Freilich, mit oder ohne Glocken, die Kirche ist sichtbar, weil sie ja aus Seelen besteht, aber auch und gleichermaßen aus Körpern - Männer und Frauen aus Fleisch und Blut. Sichtbar ist die Kirche, weil sie ein Körper ist, der Leib Christi, d.h. „die eigentliche Form seiner irdischen und geschichtlichen Existenz“ (Karl Barth), ein wirklicher Körper „der zusammengefügt und gefestigt ist durch jede Verbindung, die mit der Kraft nährt, die jedem Glied zugemessen ist (Eph. 4,16), also gut sichtbar. So dass Jesus feststellen kann: ,Wer mich sieht, der sieht den Vater‘ (Joh. 14,9). Auch der auferstandene Leib von Christus war sichtbar, wenn auch nicht wiedererkennbar. Es war immer Jesus, doch ,ganz anders‘. Es war Jesus, darum warf sich Maria Magdalena ihm entgegen, um ihn aus lauter Liebe zu umarmen.
Also ist die Kirche sichtbar. Doch in Zeiten des Coronavirus ist sie unsichtbar geworden, weil die ,Ansammlungen‘ verboten wurden, und die Kirche ist eine ,Ansammlung’, eine Gemeinschaft von ,Gliedern‘, die sich treffen und eine ,Versammlung’ bilden“. Eine Versammlung jedoch, die sich nicht trifft, wird unweigerlich unsichtbar. Wir sind unsichtbar geworden, ohne es zu wollen, bisweilen (zu Unrecht!) unter Protest und mit Reden, die weder im Himmel noch auf Erden bestehen können.
Es wäre viel besser gewesen, die Kirche dazu einzuladen über den möglichen Gewinn nachzudenken, den diese unerhörte Erfahrung uns einbringen kann. In welcher Hinsicht? In Hinsicht darauf, dass es eine günstige Gelegenheit ist, sich der Tatsache bewusst zu werden: Ja, die Kirche ist sichtbar, doch ihre Wahrheit ist unsichtbar. In der Tat ist ihre Wahrheit, der Heilige Geist, unsichtbar wie der Wind; es ist das Wort, unsichtbar wie Gott; es sind Glaube, Hoffnung, Liebe, allesamt „das Unsichtbare“ (2. Kor. 4,18), auf das wir unseren Blick richten müssen.
Die Kirche, so drückt es Luther sehr gut aus, „ist eine Versammlung der Herzen“, welche in Körpern vorhanden sind, doch du siehst die Herzen nicht, indem du die Körper anschaust. Die plötzliche und unerwartete Unsichtbarkeit der Kirche war die günstige Gelegenheit, um über ihre verborgene Wahrheit nachzudenken, so wie Gott selbst „im Verborgenen“ ist. Wir müssen uns fragen, ob diese Gelegenheit genutzt oder vielmehr verpasst wurde.
Es ist wahr: der Ausdruck „unsichtbare Kirche“ wurde diskutiert, vielleicht aus Furcht, er könnte missverstanden werden. Als ob er „irreale Kirche“ bedeuten würde oder „auf den Wolken lebende Kirche“ oder dass die Realität der Kirche sich verflüchtigen würde. Verständliche, aber unbegründete und völlig gegenstandslose Ängste. Wer je Angst hat zu vergessen, dass die Herzen körperlich vorhanden und diese frisch und lebendig sind, kann sie über Zoom oder ähnliche digitale Plattformen anschauen, wenigsten die Gesichter der anderen Kirchenmitglieder, die sich zu virtuellen Gottesdiensten treffen oder ihre Stimmen am Telefon hören. Alles gute Gaben, die die moderne Technologie bereithält und diese benutzen zu können wir dankbar sein müssen. Doch wir wissen genau, dass zwischen dem virtuellen und dem realen eine wesentlicher Unterschied besteht: wir sehen uns und haben den Eindruck uns nahe zu sein und sind es in einem gewissen Sinne auch - doch gleichzeitig bleiben wir der Eine für die Andere unerreichbar und damit sind wir einander äußerst fern. Die Bildschirme von Computern oder Handys verbinden uns auf wundersame Weise und trennen uns doch unerbittlich. Mit einem gewissen Bangen warten wir daher auf den Ãœbergang aus der derzeitigen virtuellen Sichtbarkeit der Kirche hin zu ihrer realen Sichtbarkeit, ohne jedoch zu vergessen, dass die Wahrheit der sichtbaren realen Kirche unsichtbar ist.

Die Hauskirche
Wir wussten es und wir haben es stets in Erinnerung gerufen: die erste Existenzform der Kirche war diejenige der häuslichen Kirche, die sich in Privathäusern versammelte. Heute sind solche Versammlungen ebenfalls verboten, da die Brüder und Schwestern im Glauben offensichtlich, laut Regierung, nicht „verwandt“ sind, die geistliche Verwandtschaft zählt nicht.
Es bleibt jedoch Tatsache: das große und einzige Gebot der Corona-Zeit lautet „Bleibt zuhause“. Und wir können nicht umhin, an die Tatsache zu erinnern, dass die ersten christlichen Gemeinschaften des apostolischen Zeitalters genau dort gegründet wurden und zu leben begannen: zuhause. Wir haben Sätze wie diese immer geliebt: “Grüßt die Gemeinde, die sich im Haus von Priszilla und Aquila versammelt“ (Röm. 16,5); “Es grüßt euch Gaius, mein und der ganzen Gemeinde Gastgeber“ (Röm. 16,23); „Grüßt … Nympha und die Gemeinde in ihrem Hause“ (Kol. 4,15) “Paulus an Aphia, die Schwester, und Archippus, unsern Mitstreiter, und an die Gemeinde in deinem Hause“ (Philemon 2).
Wir lieben sie aus zwei Gründen: Erstens, weil das Evangelium die Herzen und deshalb auch die Häuser öffnet, welche dadurch offen und einladend werden. Die Gastfreundschaft war ein charakteristischer Zug der ersten Christen, nach dem Beispiel ihres Vaters Abraham, der in Gestalt der drei „Männer“ (Gen. 18,2.16) Gott selbst beherbergte, und als Ausdruck der Dankbarkeit für die Gastfreundschaft sowohl Gottes, der uns in seine Gegenwart willkommen heißt, als auch von Jesus, der uns an seinen Tisch einlädt. Zweitens, weil Gott eher in Herzen wohnt als in Basiliken und Tempeln, weil “ihr der Tempel Gottes seid“, wie Paulus den Christen zu Korinth sagt, ja “euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch ist“ (1. Kor. 3,16; 6,19).
Unsere Wahrheit steht nicht im geschlossenen Raum irgendwelcher Kathedralen, sondern unter freiem Himmel, auf dem Hügel von Golgatha, an ein Kreuz geschlagen, jetzt aber auferstanden, lebendig und herrschend von Ewigkeit zu Ewigkeit, zur Rechten Gottes. Sie wohnt dort, wo sie gesucht, geglaubt, geliebt, gehütet und gelebt wird. Darum konnten die ersten Christen ihren Gottesdienst genauso im Jerusalemer Tempel feiern wie in ihren Häusern: sie wussten, dass sie selbst der Tempel waren. Nach der Zerstörung des Tempels durch die Römer im Jahr 70 n.Chr. war das Haus der einzige christliche „Tempel“.
Das vom Virus auferlegte Programm „Ich bleibe zu Hause“ hätte die glückliche Erinnerung der Hauskirche hervorrufen können und könnte es noch immer: das Haus als Kirche, was angesichts der heidnischen Tradition eine revolutionäre Erfahrung war. Möglicherweise gleicht die heutige Situation der Kirche derjenigen des 1. Jh. mehr, als es jedes andere Jahrhundert der Kirchengeschichte tat. Es wäre dann nicht verwunderlich, wenn die häusliche Form von Kirche eine überraschende Aktualität gewönne.

Das wesentlich Christliche
Nicht nur die öffentlichen Gottesdienste, sondern auch Taufen, Hochzeiten, Trauerfeiern und jede andere Art von Treffen sind verboten, ebenso alle Arten von liturgischen und gottesdienstähnlichen Handlungen, Katechismus und Fortbildungen, alle anderen Initiativen, die die Teilnahme mehrerer Personen voraussetzen, sowie Gebetstreffen, Seelsorge und generell alle pastoralen Besuche, welche einen engeren Umgang mit Personen verlangen (die einzigen möglichen pastoralen Tätigkeiten sind Online-Predigten und Telefonate). Dadurch wurde fast das ganze Gemeindeleben abgeschaltet, welches sonst so reichhaltig und verschiedenartig ist.1 Das bedeutet aber, es wäre verständlich, wenn Fragen erwachsen würden wie folgende: Was ist eine Kirche, die durch höhere Gewalt und unabweisbare gesundheitliche Gründe nichts oder fast nichts mehr von dem, was ihr eigen ist tun kann, und daher wie tot ist? Ist sie noch eine Kirche? Was erlaubt ihr sich noch als solche zu betrachten? Was macht aus einer größeren oder kleineren Gruppe, aus Männern und Frauen jeden Alters eine Kirche? Was an einer Kirche ist wesentlich für ihr Kirche-Sein? Was eigentlich ist also das wesentlich Christliche?
Darauf zu antworten ist nicht schwer: „Das ganze Sein und Wesen der Kirche steht im Wort Gottes“ (Luther). Freilich kann „Wort Gottes“ viel bedeuten: Gesetz und Evangelium, Verheißung und Erfüllung, Gericht und Vergebung, Gebet und Aktion, Weisheit und Prophetie, Kreuz und Auferstehung, Fleischwerdung und Verklärung, Sünde und Buße, Schuld und Rechtfertigung, Erwählung und Heiligung, Person und Gemeinde, Krieg und Frieden, Entfremdung und Versöhnung, Schweigen und Gesang, Anfechtung und Glück, Niederlage und Sieg, Kampf und Eintracht, Konflikt und Bündnis, Einheit und Trennung, Leben und Tod, Geburt und Wiedergeburt, dieses Leben und das zukünftige, und viele andere Dinge, alles was von Gott und von dieser Welt ist, dies alles findet sich im Wort Gottes, geschrieben in erster Linie “nicht auf Papier und mit Tinte“ (2. Joh. 12), sondern mit dem Heiligen Geist auf lebendigem Fleisch in der einzigartigen Geschichte des hebräischen Volkes und jener des Jesus von Nazareth und seiner ersten Jünger des „Neuen Weges“ (Apg. 19,9.23), und im Laufe von etwa 1000 Jahren gesammelt in den 66 Büchern der Bibel, 39 des AT und 27 des NT. Die Bibel ist der Acker, in dem der verborgene Schatz des Wortes Gottes liegt, und dieses Wort ist das wesentlich Christliche, weil es den Glauben hervorbringt, wie es der Apostel Paulus sagt: “Der Glaube kommt aus dem Hören, und das Hören aber aus Gottes Wort“ (Röm. 10,17). Und dieses Wort ist es, welches das Leben verändert, indem es uns dazu bringt, es als Dienst am Nächsten (und auch an uns selbst) zu entwerfen und zu führen, wie Jesus sagt (Mk. 1,45) (so wie es die 155 Ärzte, Dutzende von Schwestern und Pflegern und anderes medizinisches Personal taten, die bis heute (8. Mai 2020) gestorben sind beim Versuch, die Opfer des Virus dem Tode zu entreißen).
Das ist also die Antwort: Glaube und Dienst am Nächsten sind das Wesentliche des Christenlebens und folglich der Kirche, welche keine andere Daseinsberechtigung hat als diese: den Glauben verkündigen und den Dienst am Nächsten leben, aber beide, Glaube und Dienst am Nächsten, sind Früchte des Wortes Gottes, welches also die Mutter der Kirche ist.
Die mehrere Kilometer lange Darstellung des christlichen Glaubens, die Karl Barth im letzten Jahrhundert in seiner „Kirchlicher Dogmatik“ (12 gewichtige Bände mit insgesamt 8953 Seiten) unternommen hat und die sein Schüler, Biograf und treuer Interpret Eberhard Busch ein „ewiges Magnifikat“ nannte, startet mit zwei großen Anfangsbänden (1504 Seiten), die allein dem Wort Gottes gewidmet sind. Dies ist kein Zufall: hier beginnt alles, hier endet alles, besser: alles dauert und endet in Gott. Das Wort Gottes ist die Arche Noah, wo du Zuflucht und Rettung findest zur Zeit der Prüfung wie an den glücklichen Lebenstagen. Das Wort Gottes begleitet dich auf den oft unwegsamen und gefährlichen, wie auch auf den ebenen Straßen. Hier lernst du das christliche Alphabet zu buchstabieren und nur hier wirst du als Mann oder Frau des Glaubens geboren und wächst heran. Dies ist das „unum necessarium“ (das einzig Notwendige), das „gute Teil“, von dem Jesus spricht, und das Maria, die Schwester von Martha, erwählt hat (Lk. 10,42). Hier lernst du zu beten und vielleicht auch zu weinen wie Petrus (Mk. 14,72). Hier wirst du die Geheimnisse des menschlichen Herzens kennenlernen und vor allem „die Tiefen der Gottheit“ (1. Kor. 2,10). In der Bibel wirst du Zehntausende von Wörtern finden, es genügt aber ein einziges Wort, und du wirst selig werden. “Sprich nur ein Wort“, bittet der römische Hauptmann Jesus, “und mein Knecht wird gesund“ (Mt. 8,5). Ein Wort! Ein einziges! Nichts! Doch dieses Nichts ist alles. Dieses „Nichts, das doch alles ist“, das wesentlich Christliche, Leben und Substanz der Kirche.
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